Der Orgelbaumeister Friedrich Albert Daniel Mehmel (1827–88)

In der Festschrift zur Sanierung der Stellwagenorgel in St.Marien findet sich zum Baumeister der einleitende Satz:

Es ist eher die Regel, denn die Ausnahme, dass in der persönlichen Biografie eines ( Kunst- ) Handwerkers früherer Zeiten große Lücken klaffen.

Auch für Mehmel trifft das zu. So gibt es z.B. keinerlei bildliche Darstellungen seiner Person.

Aber was wissen wir über ihn?

Friedrich A.D. Mehmel wurde am 6. Dezember 1827 in Allstedt im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach (Thüringen) geboren. Er war der Sohn eines Tischlers. Ab 1845 als Lehrling beziehungsweise nach seiner Lehrzeit arbeitete er in den Orgelwerkstätten von Ibach in Barmen, von Strobel in Frankenhausen, von Johann Friedrich Schulze in Paulinzella. Seine besondere Prägung erhielt er jedoch bei Friedrich Ladegast in Weißenfels. Er war es, der die Klangvorstellungen des jungen Mehmel beeinflußte, die er selbst von Aristide Cavaillè- Colls , einem zeitgenössischen französischen Orgelbaumeister, erhielt. Ladegast ist bekannt durch seine großen Orgeln im Merseburger Dom, in der Nikolaikirche Leipzig und im Schweriner Dom.

1856 zieht Mehmel nach Stralsund und arbeitet hier im Orgelbaugeschäft von Matthias Fernau. Am 21. Mai 1859 erwirbt er das Stadtrecht, heiratet 32-jährig die Witwe seines Meisters und übernimmt die Werkstatt. Aus der Ehe gehen sechs Kinder hervor, von denen mehrere früh sterben. In dieser Zeit war der Bedarf an Orgeln im Umkreis sehr groß: Viele Dorfkirchen waren, bedingt durch Plünderungen und Zerstörungen in der Franzosenzeit, ohne Orgel.

1862 erwirbt Mehmel ein Grundstück am Apollonienmarkt – heute befindet sich in diesem Haus die Redaktion der Ostsee- Zeitung – und baut nach eigenen Plänen ein Wohnhaus mit Werkstatt. Von 14 Mitarbeitern ist die Rede; viele Arbeiten werden in der damals üblichen Heimarbeit erledigt. Die Orgelgehäuse lässt Mehmel oft von Stralsunder Stadtbaumeistern, wie Ernst von Haselberg und Hans Lübke, entwerfen. Mehmels Wirkungskreis reicht von Cuxhaven an der Nordsee bis ins hinterpommersche Colbergmünde. Neben fleißiger Arbeit für den Orgelbau in seiner Werkstatt hatte er auch Wartungsarbeiten an den großen Orgeln von St. Marien und St. Nikolai zu erledigen, wovon handschriftliche Verträge mit der Stadt im Archiv existieren.

Neben den vielen Orgeln in kleinen Dorfkirchen gibt es aber auch für große Kirchen Aufträge. Mehmel baut für den Ratzeburger Dom, für Wismarer Kirchen, für St. Marien in Greifswald und natürlich die Krönung seines Schaffens – die Orgel für St. Jakobi in Stralsund. Erhalten blieb nach dem Zweiten Weltkrieg die Orgel in Greifswald, heute die größte im Nordosten Deutschlands und insgesamt eines der größten romantischen Instrumente überhaupt. Nach der Erbauung der Domorgel von Ratzeburg (1881) wurde Mehmel zum „Hoforgelbauer S.K. Hoheit des Großherzogs von Mecklenburg -Strelitz“ ernannt. Anerkennung für seine Arbeit findet sich zum Beispiel auch in der „Stralsundischen Zeitung“ vom 20. August 1868, als August Wagner – Königlicher Musikdirektor und Organist an St. Nikolai – den Mehmel `schen Orgelsaal besichtigt und die Fertigung einer Orgel für Bretwisch lobt. Mehmel bemühte sich, das Erlernte von seinen Meistern, insbesondere Ladegast, weiterzuentwickeln, ging aber bei der technischen Konstruktion oft eigenwillige Wege. Am 11. November 1873 erscheint in der „Stralsundischen Zeitung“ ein Aufsatz über die Kirchenorgel in Wustrow auf Fischland. Es war seine 50. Orgel, die er seit 1858 vollendet hatte.

Aber noch einige Worte zur Orgel für St. Jakobi: Bisher waren für die großen Stadtkirchen auswärtige Orgelbaumeister bemüht worden. Nun aber gab es einen inzwischen bekannten Stralsunder. 1870 kommt es zum Vertragsabschluss für den Bau einer Orgel in St. Jakobi. Mehmel äußert sich selbst: „Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, meiner Heimatstadt ein Orgelwerk zu liefern, welches den Orgelwerken größerer Städte ebenbürtig an die Seite gestellt werden kann.“ Und weiter sagt er: „Ich muss es hier im vollen Bewusstsein meiner Arbeit aussprechen, dass die Orgel für St. Jakobi sich neben die ersten in Deutschland stellen darf und fürchte ich mich nicht, dass sie in dieser Hinsicht in keinem Punkte zurückstehen und der strengsten Beurteilung die Spitze bieten werde.“ Otto Wangemann nahm diese Mehmel – Orgel 1877 mit großem Lob ab. Mehmel schuf ein Werk, das eindeutig in der Tradition des romantischen Orgelbaues stand und sich für die Orgelliteratur von Rheinberger, Liszt und Reubke eignet. Zu seinen Lebzeiten wurden die Werke dieser Meister wohl seltener gespielt, da die Organisten meist Lehrer waren.

Hoffen wir auf die Wiederherstellung dieser größten Stralsunder Orgel in St. Jakobi, um den künftigen Konzertbesuchern einen musikalischen Hochgenuss zu bieten. Mehmel starb am 4. Juli 1888 in Stralsund. Sein Sohn Paul übernahm die Werkstatt, starb aber bereits 1894 und die Orgelwerkstatt ging unter.

Dr. I. Kluge

Quellen:

„Stralsunds Orgeln“ von Dietrich W.Prost
„Der vergessene Raum – 700 Jahre St. Jakobi Stralsund“
Stadtarchiv Stralsund: Stralsundische Zeitung 1868 Nr.201 vom20.08.1868; Stralsundische Zeitung vom 11.11.1873; Ratskirchenarchiv 1869; Die Kirche 1988 Nr.30 24. 07.1988
„Einem Orgelbauer zum Gedenken“ – D.W.Prost